Eine Grundschule als „Trojanisches Pferd“

„Überrascht“ von steigenden Schülerzahlen beschließen die meisten Ratsfraktionen den Bau einer neuen Grundschule in exklusiver Insellage. Der Verdacht liegt nahe, dass damit eine ganz andere Agenda verfolgt wird.

Die Wedeler Grundschulen schlagen Alarm. Nachdem ihnen die Anmeldungszahlen für das nächste Schuljahr vorliegen, zeichnet sich deutlich ab, dass die Anzahl der vorhandenen Klassenräume nicht ausreichen wird, um allen Erstklässlern einen Schulplatz anzubieten.

Wie konnte das passieren? War diese Entwicklung tatsächlich so unerwartet wie die Verwaltung allen Glauben machen will?

Wer die Entwicklung unserer Stadt in den vergangenen Jahren im Auge behalten hat, dem wird der Zuwachs an neuen Mitbürgerinnen und Mitbürgern nicht verborgen geblieben sein. Ein stetiger Zuwachs von neuen Wohngebieten und dazu Generationsumbrüche in älteren Wohnvierteln haben zu vermehrtem Zuzug – auch von Familien mit Kindern – geführt.

Dieser Zuwachs spiegelt sich bereits seit Jahren in einer zunehmenden verkehrlichen Überlastung der Stadt wider, aber auch fehlende Kitaplätze waren immer wieder ein Thema.
Jetzt also die Grundschulen. War das also tatsächlich unerwartbar, genauso unerwartbar, wie es spätestens in vier Jahren die Überlastung der weiterführenden Schulen sein wird?

Für unsere Stadtverwaltung und die planungseifrigen PolitikerInnen der meisten Ratsfraktionen anscheinend schon. Dabei dürfte jedem seriösen Stadtplaner klar sein, dass mit einem Zuwachs an Bevölkerung auch zwingend ein Ausbau an städtischer Infrastruktur einhergehen muss – in Form von Straßen und Wegen, aber auch von Kitas, Schulen und Sporteinrichtungen. Doch diese Infrastruktur muss eine Stadtgemeinschaft nicht nur bereitstellen – sie muss sie auch unterhalten können. Daher berücksichtigt eine umsichtige Stadtplanung auch immer den Tatbestand, wie viel Wachstum eine Stadt sich überhaupt leisten kann.

Genau diesen Punkt lässt man in Wedel gerne mal unter den Tisch fallen. „Überrascht“ wird zunächst wahrgenommen, dass Grundschulplätze fehlen und mit großem Tamtam der Bau einer neuen Grundschule beschlossen. Ein notwendiger Schritt? Einerseits ja. Andererseits wäre Wedel nicht Wedel, wenn vermeintlich clevere Lokalpolitiker damit nicht eine ganz andere Agenda verfolgen würden: Wedel Nord. Wäre es nicht eine gute Idee, die Schule gleich dort zu bauen? Am besten im Bereich des zweiten Bauabschnitts, denn das würde alle Kritiker des hochumstrittenen Projekts schon jetzt vor vollendete Tatsachen stellen: Hat man schon einmal eine verkehrstechnisch kaum angeschlossene Schule in exklusiver Insellage, kann man auch gleich einen ganzen Stadtteil drumherum bauen.

Die meisten Ratsfraktionen können dieser verqueren Logik offenbar folgen – oder sie durchschauen nicht, für was der berechtigte Ruf der Eltern nach ausreichenden Grundschulplätzen für ihre Kinder instrumentalisiert werden soll.

Jedenfalls wurde mit dieser Standortentscheidung bemerkenswert schnell und ohne die Grundlage belastbarer Zahlen abzuwarten, eine Entscheidung getroffen, die quasi durch die Hintertür auch eine neue Faktenlage für Wedel Nord, zweiter Bauabschnitt, mit sich bringt.

Soll das jetzt also die Lösung sein? Eine Schule auf der grünen Wiese, die wohl kaum fußläufg von Grundschulkindern aus den jetzigen Stadtgebieten erreicht werden kann, so dass „Elterntaxis“ wohl eher die Regel als die Ausnahme sein werden? Eine Schule, die darüber hinaus die aktuell anstehenden Überkapazitäten an den Grundschulen nicht wird auffangen können. Warum also diese Eile, genau dort einen neuen Grundschulstandort festzuzurren?
Wer die Debatten und die Unzufriedenheit vieler Bürgerinnen und Bürger mit dem geplanten neuen Stadtteil Wedel Nord verfolgt hat, der wird unschwer erkennen, dass es hier um etwas anderes geht.

Bestimmte Kreise in dieser Stadt wollen das gesamte Planungsgebiet Wedel Nord gegen alle Widerstände realisieren, egal, was es unsere Stadt und ihre BürgerInnen kosten wird. Der Begleitbeschluss zum Bau der Grundschule am äußersten Rand des Bebauungsgebietes konterkariert darüber hinaus den Begleitbeschluss zur Reduzierung des Verkehrs im Norden unserer Stadt, der sich allein schon durch die Realisierung des ersten Bauabschnittes ergeben wird.

Aus dem Planungskonzept für Wedel Nord: Eine Grundschule auf dem freien Feld? Oder geht es eher darum, auf Kosten der Kinder schon einmal für den zweiten Bauabschnitt Wedel Nord einen Fuß in die Tür zu bekommen?

Was mich allerdings am meisten umtreibt, ist, dass es ihnen auch ziemlich egal zu sein scheint, was es unsere Kinder kosten wird: Sie werden nicht nur die finanziellen Schulden zu begleichen haben, sondern müssen auch eine erhebliche Belastung auf ihrem „Klimakonto“ hinnehmen. Denn Wedel Nord zerstört nicht nur dringend benötigte ökologische Flächen. Die Fehlnutzung dieser Flächen verhindert auch, dass unsere schöne Stadt einen wichtigen Schritt hin zu mehr eigenem grünen Strom gehen kann – wo dieser Schritt gerade in der heutigen Zeit von immenser Wichtigkeit wäre. Die Wedeler Politik weiß das sehr wohl und schielt schon auf eine Gesetzesänderung, nach der die Versiegelung einer derart großen Fläche bald nicht mehr genehmigungsfähig sein soll – wie immer sich das mit dem Ruf nach mehr Klimaschutz verträgt.

Mehrere Fragen müssen in diesem Zusammenhang erlaubt sein. Ist das freie Feld zwischen Voßhörntwiete und Aschhoopstwiete tatsächlich der ideale und „alternativlose“ Standort für eine neue Grundschule? Und das in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Schule für viele Jahre inmitten einer Großbaustelle befinden wird? Auf welchen Wegen sollen die Kinder dorthin kommen? Und wer bezahlt das Ganze eigentlich?

Damit drängt sich gleich noch eine viel grundsätzlichere Frage auf: Wer hat eigentlich ein so großes Interesse an Wedel Nord, dass nun abermals versucht wird, diese gewaltige Hypothek auf die Zukunft unserer Kinder auf Gedeih und Verderb durchzudrücken?

Angela Drewes
Planungspolitische Sprecherin der WSI-Fraktion

Angela Drewes