Wedel, Dezember 2022
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie geht man als Kommunalpolitikerin und Kommunalpolitiker in einer Zeit, in der mitten in Europa ein Despot einen Angriffskrieg gegen sein Nachbarland führt, in einer Zeit, in der zumindest für mich unklar ist, ob wir Corona und seine Auswirkungen auf unser aller Leben wirklich schon in den Griff bekommen haben, mit einer vermeintlich gegenüber den eben beschrieben Problemen banalen Entscheidung über den städtischen Haushalt um?
Auch die Mitglieder der WSI-Fraktion haben natürlich genauso – wie die allermeisten Wedelerinnen und Wedeler – Sorgen, die weit über die Probleme lokaler Politik hinausgehen und die Lösungen erfordern, die ebenso weit über das hinausgehen, was auf örtliche Ebene entschieden werden kann.
Aber gerade, weil diese Sorgen regelmäßig mit verständlichen Emotionen einhergehen, ist es umso wichtiger, sich zumindest ernsthaft darum zu bemühen, einen rationalen Blick auf die Finanzlage unserer Stadt zu werfen. Und wenn man dies dann tut, so erblickt man wahrlich nichts Gutes. Da Weihnachten vor der Tür steht, habe ich mal versucht einen Spruch zu finden, den man gut als Einstieg benutzen könnte, um die städtische Haushaltslage zu beschreiben. Und umso schöner ist es, wenn man bei dieser Suche auf das Gedicht eines Dichters stößt, nach dem in unserer Stadt sogar eine Straße benannt ist.
Joseph von Eichendorff hat mal geschrieben
„Markt und Straßen steh’n verlassen,
still erleuchtet jedes Haus,
sinnend geh ich durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus.“
Wäre Herr Eichendorff allerdings durch die finanzpolitischen Gassen unserer Stadt gegangen, hätte sein letzter Satzteil wohl eher gelautet:
Erschrocken geh ich durch die Gassen, alles sieht recht trostlos aus.
Der Haushaltsentwurf, über den wir heute entscheiden sollen, beinhaltet auch in diesem Jahr wieder Ausgaben, vor denen die WSI schon seit langer Zeit warnt.
Es wird weiterhin alles getan, um eine städtebauliche Entwicklung voranzutreiben, die allen Erkenntnissen bezügliche einer ökologischen, verkehrspolitisch sinnvollen, die Grenzen des Machbaren anerkennenden, modernen und zukunftsfähigen Stadtpolitik widerspricht.
Die WSI kann eine finanzpolitische Planung, die für diese offenkundige Fehlentwicklung weiterhin Mittel bereitstellt, nicht unterstützen. Wir hoffen sehr, dass wenigstens die neue Bürgerinitiative „Stoppt Wedel Nord“ über einen erfolgreichen Bürgerentscheid noch Schlimmeres verhindern kann. In den städtischen Gremien werden unsere Bedenken ja ignoriert und weggelächelt.
Aber auch ohne Wedel Nord kann dieser Haushalt in seinem jetzigen Entwurfsstand von uns nicht unterstützt werden.
Dieser Entwurf ignoriert die finanzpolitische Wirklichkeit unserer Stadt und wird auf eine Art und Weise präsentiert, die mit einer sachgerechten und verantwortungsvollen Entscheidungsfindung aus unserer Sicht nicht vereinbar ist.
Beispielsweise hat die Kommunalpolitik im Zusammenhang mit dem gerade parallel zum jetzigen Haushaltsentwurf stattfindenden, längerfristig ausgerichteten Konsolidierungsprozess u.a. mit der Verwaltung vereinbart, dass einzelne Ausgabe- und Einnahmepositionen nicht mehr isoliert für eine Entscheidungsfindung vorgelegt werden, damit in einer Gesamtschau eine sachgerechte Priorisierung vorgenommen werden kann.
Dieses Prinzip kann und muss selbstverständlich auch für eine „normale“ Haushaltsplanung angewandt werden.
Stattdessen werden regelmäßig seitens der Verwaltung für einzelne Maßnahmen gesonderte Beschlussvorlagen gefertigt, die zu mindestens faktisch dazu führen, dass ein wirklicher Abwägungsprozess nicht stattfinden kann.
Ein solches Vorgehen benachteiligt u.a. all diejenigen Vereine, Verbände und sonstige Einrichtungen dieser Stadt, die nicht über entsprechende Fürsprecher im Rathaus verfügen, die dafür sorgen, dass der Kommunalpolitik schon zu einem Zeitpunkt Entscheidungsvorlagen präsentiert werden, bevor die dadurch Begünstigten sich einem Abwägungsprozess mit anderen Alternativen stellen müssen.
Diese Kritik richtet sich aber nicht nur an die Verwaltung. Auch die Kommunalpolitik selber – und hier insbesondere die Ausschussvorsitzenden – sind gefordert, derartige Vorabfestlegungen nicht mehr zuzulassen. Auch wenn eine formal endgültige Entscheidung immer erst mit dem Haushaltsbeschluss und der damit folgenden konkreten Bereitstellung von Geldern zustande kommt, wissen wir doch alle, dass kaum eine Fraktion sich selbst korrigieren wird, wenn sie Monate oder auch nur Wochen zuvor bereits die Zusage auf eine finanzielle Unterstützung gemacht hat, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt die genaue finanzielle Lage der Kommune noch gar nicht beurteilen konnte.
Eine solche Praxis ist sowohl unfair als auch finanzpolitisch unsolide.
Noch entscheidender ist aber, dass wir heute über einen Haushaltsentwurf entscheiden sollen, der gegenüber dem uns im Oktober zu unseren Fraktionsberatungen vorgelegten Entwurf zum Teil erheblich abweicht. Im aktuellen Entwurf hat die Verwaltung ihre eigenen Appelle für eine zurückhaltende Ausgabenpolitik quasi beiläufig kassiert.
Erläuterungen, warum man entgegen der ersten dringlichen Appelle, ein bestimmtes Investitionsvolumen nicht zu überschreiten, dies jetzt gleichwohl selber vorschlägt, werden seitens der Verwaltung nicht vorgelegt.
Damit diese Veränderungen dann nicht ganz so auffallen, werden Ausgabenhöhen veranschlagt, die im Widerspruch stehen zu den seitens der Verwaltung vorgelegten Beschlussvorlagen aus den Novembersitzungen. Ich nenne hier als Stichwort die Steinberghalle.
Es werden Projekte nachträglich eingebracht, andere Maßnahmen offenbar zunächst vergessen und Ankündigungen, dass Mehrausgaben durch Einsparungsvorschläge an anderer Stelle kompensiert werden schlicht und ergreifend nicht umgesetzt.
Der zunächst vorgelegte Stellenplan, der ohnehin schon angesichts der Finanzlage als mutig zu bezeichnen war, wird zwischen den Haushaltsberatungen der Fraktionen und der heutigen Entscheidung noch deutlich ausgeweitet. Eine notwendige ruhige und sachliche Abwägung hinsichtlich der Notwendigkeit einzelner Mehrbedarfe kann auch hier nicht wirklich stattfinden.
Eine angeforderte Priorisierung der zusätzlichen Stellenbedarfe gerät eher zu einer Witznummer, denn eine Unterscheidung in ganz wichtig (A) oder wichtig (B) ist hierfür nicht wirklich hilfreich
Die WSI-Fraktion hat große Sympathie für das engagierte Eintreten der Vorsitzenden des Personalrates für ihre jetzigen und zukünftigen Kolleginnen und Kollegen im letzten HFA. Gleichwohl dürfen wir als diejenigen, die über die Gelder der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt entscheiden sollen, nicht ignorieren, dass wir es wohl mit einem der größten veranschlagten Haushaltsdefizite zu tun haben, das unsere Stadt je gesehen hat.
Schon jetzt wird von den städtischen Verantwortlichen in den Raum gestellt, dass wir ja alles Weitere in entsprechenden Nachtragshaushalten regeln könnten.
Ein Nachtragshaushalt wird normalerweise erstellt, wenn sich nach Beschluss über den Ursprungshaushalt herausstellt, dass bestimmt Einnahmeplanungen und Ausgabenannahmen sich derartig verändert haben, dass ein finanzpolitischer Ausgleich über interne Wege nicht möglich erscheint.
Der vorlegte Entwurf inklusive seiner durch umfangreiche Veränderungen neusten Fassung hingegen aber stellt quasi eine neue Erfindung der Haushaltsaufstellung dar.
Andere Kommunen arbeiten für eine vermeintliche bessere Planung zum Teil mit sogenannten Doppelhaushalten, Wedel hingegen erfindet den Dreiviertelhaushalt oder auch den „gestückelten“ Haushalt. Und das nur, um eine vermeintlich schnellere Genehmigung des Haushaltes durch die Landesbehörden zu erhalten. Das ist mit Sicherheit nicht die vom Innenminister immer wieder eingeforderte Haushaltsklarheit.
Auch wenn im nächsten Jahr Kommunalwahlen anstehen, darf und sollte man keine derartige Haushaltspolitik betreiben, insbesondere dann nicht, wenn aus unserer ehemals finanzstarken Heimatstadt inzwischen ein finanzieller Notfall geworden ist.
Wir hätten es sehr begrüßt, wenn wir eine Entscheidung über den Haushalt erst Anfang nächsten Jahres hätten fällen können, wohlwissend, dass sich dadurch die Umsetzung von auch für uns wichtiger Projekte möglicherweise verzögert hätte.
So wäre man in der Lage gewesen ,in Ruhe noch einmal mit allen Beteiligten darüber diskutieren zu können, ob man nicht zugunsten beispielsweise der Steinberghalle für einen zumindest teilweise finanziellen Ausgleich, alle nicht aus haftungsrechtlichen oder ökologisch zwingenden erforderlichen Gründen geplanten Straßenbaumaßnahmen hätte verschieben können. Ich nenne hier nur mal den Tinsdaler Weg, den Breiten Weg oder die Spitzerdorfstraße.
Beim Stellenplan, bei dem uns allein die vorgesehenen Ausweitungen einige hunderttausend Euro jährlicher Mehrkosten bescheren werden, hätte man auch gut noch einmal gemeinsam darüber nachdenken können, nur einige wenige Stellen, wie beispielsweise wie die Stelle Streetworkoder die Stellen im Bereich Wohngeld fest zu beschließen.
Für die übrigen Stellenplanungen hätte man sich auf eine Höchstsumme an Mehrausgaben einigen können, die dann eine theoretische Besetzung von 50, 60 oder 70 Prozent der Vorstellungen der Verwaltung in deren freies Ermessen gelegt hätte.
So bleibt es ein Haushaltsentwurf, der einerseits die Stadt weiterhin zum Teil in eine falsche Entwicklung steuert, die hauswirtschaftliche Schieflage unserer Stadt völlig unzureichend einbezieht und haushaltstechnisch unsauber ist.
Von daher wird meine Fraktion der heutigen Beschlussvorlage zum Haushalt auch nicht zustimmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Andreas Schnieber
Vorsitzender der WSI-Fraktion