Wedel Nord – Die versprochene Lösung für das Verkehrsproblem bleibt aus.

Die Planungspolitische Sprecherin der WSI, Angela Drewes, war als „stille Beobachterin“ für die WSI bei der Informationsveranstaltung der Stadt Wedel am 27.09.2021 im Wedeler Rathaus vor Ort dabei. Ihre Beobachtungen schildert sie hier:

Bevor der Rahmenplan zu Wedel Nord in die finale Abstimmung im Planungsausschuss und im Rat geht, wurden die betroffenen Bürger im Rist Forum über den aktuellen Stand der Planungen informiert.

Mit Spannung erwartet wurden die Lösungen zu den bereits 2016 in der Planungswerkstadt Wedel Nord aufgeworfenen Fragen zur verkehrlichen Entlastung des bereits jetzt überlasteten nördlichen Stadtgebiets. Da der Vortrag zu diesem Themenkomplex eher wage blieb und neben Hoffnungen und Annahmen keine echten Lösungen der Verkehrsfrage angeboten werden konnten, war es wenig verwunderlich, dass es viele Bürgerfragen zum Thema Verkehr gab.

Leider konnten auch diese nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Trauriges Fazit: Die verkehrliche Überlastung des nördlichen Stadtgebiets bleibt und wird sich durch den Bau von Wedel Nord noch zusätzlich verschärfen.

Letztendlich dürfte es auch wenig zielführend sein, nur zu hoffen, dass Bürgerinnen und Bürger, die sich in Wedel Nord ansiedeln, plötzlich und unerwartet ein komplett anderes Verkehrsverhalten an den Tag legen als alle anderen Wedeler. Da zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal die Frage beantwortet werden kann, ob es für dieses Stadtgebiet überhaupt eine ansprechende Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr geben wird, bleibt auch diese Mobilitätsoption im Reich des Spekulativen.

Auch angedachte Lösungen analog „Moia“, wie es sie in Hamburg gibt, wären für Wedel natürlich ausserordentlich wünschenswert – aber dieses Konzept ist – wie viele andere mehr – meines Ermessens ein Thema für das gesamte Wedeler Stadtgebiet und nicht eine zukunftsweisende Lösung nur für die „Insel Wedel Nord“. 

Der „Inselcharakter“ von Wedel Nord wurde an vielen Punkten deutlich – Quartiersbusse, schnelles Internet, Mobility-Hub, gleich zwei neue Kitas, ein Quartierszentrum und eine Seniorenpflegeeinrichtung, verkehrsberuhigte Infrastruktur – alles wünschenswerte Elemente einer modernen Stadtentwicklung.

Was aber leider nicht mitgedacht wurde, sind die aus dem neuen Quartier resultierenden Konsequenzen für die bereits jetzt im Umfeld von Wedel Nord Wohnenden. Schon heute ist die Verkehrssituation im Norden von Wedel, sowohl was den ruhenden als auch den fahrenden Verkehr angeht, mehr als ausgereizt. 

Der bemerkenswerte Lösungsvorschlag aus dem Publikum, in Wedel Nord ein komplett autofreies Quartier zu konzipieren, wurde gar nicht erst ernsthaft in Erwägung gezogen.

Man fragt sich – wie es auch schon bei den Workshops zum Thema Mobilität deutlich wurde – ob die Wedeler nicht schon gedanklich viel weiter sind, als das Leitungsteam der Stadt und der überwiegende Teil der Wedeler Politik wahrhaben wollen, wenn es um Themen wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Mobilität geht. 

Ein weiteres Thema, dass den Bürgerinnen und Bürgern wichtig war, ist das Thema Schule. Schon jetzt sind die Schulen der Stadt am Rande ihrer Kapazitäten angelangt und gefragt wurde daher, warum im ersten Bauabschnitt zwei Kitas geplant sind und nicht nur eine Kita und zumindest eine Grundschule. Die müde Antwort darauf, man wisse ja nicht, ob und wenn ja wieviele Kinder dort leben würden, erschloss sich vor dem Hintergrund der geplanten zwei Kitas sowie der vorgesehenen Spielplätze und Freiflächen für Jugendliche nicht.

Unklar blieb auch, wie mit den im Planungsgebiet gelegenen Biotopen umgegangen werden soll und wo die Ausgleichsflächen für die Versiegelung durch den Bau von Wedel Nord liegen werden.

Ebenso unklar war die Belastung des Bodens im Planungsgebiet für zukünftige Bewohner und Umwelt aufgrund der jahrzehntelangen Nutzung als Baumschulgebiet, vor allem auch vor dem Hintergrund des geplanten Entwässerungskonzeptes.

Brisant bleiben darüber hinaus die auf die Stadt zukommenden Investitionskosten für Wedel Nord. Schon jetzt ist der Investitionsstau der Stadt riesig, Schulen brechen zusammen, es fehlen Sporthallenkapazitäten, städtische Unterkünfte sind teilweise in einem menschenunwürdigen Zustand, die Feuerwehr platzt aus allen Nähten und auch viele Straßen im Stadtgebiet sind in einem schlechten Zustand. Dazu soll gemäss des  Mobilitätskonzeptes das vorhandene Stadtgebiet verkehrstechnisch umgebaut werden und noch Vieles mehr.

Ich frage mich, woher der Bürgermeister und die weiteren Befürworter von Wedel Nord  aus den Reihen der Ratsfraktionen von CDU,SPD, Grüne, FDP und Linke vor dem Hintergrund der städtischen Verschuldung und des Investitionsstaus das Geld nehmen wollen, um jetzt noch zusätzlich, zu den kaum zu realisierenden anderen Herausforderungen, rund um Wedel Nord neue Straßen zu bauen.

Ich weiß auch nicht, womit die Befürworter die neuen Straßen, Kitas, ggfs. Schulen oder Schulplätze unterhalten wollen, ohne dass die in diesen Aufgabenbereichen vorhandenen Defizite noch weiter verstärkt werden.

Aber ich komme langsam zu der Überzeugung, dass es einfach mehr Spass macht, mal was Neues zu bauen und zu gestalten als sich vernünftig um den Erhalt des Bestandes zu kümmern. Da läßt man die zukunftsorientierte Sanierung der bestehenden Schulen, Sportstätten und Straßen lieber unterfinanziert und baut dann an anderer Stelle etwas Schönes neu, als gäbe es die „Altlasten“ gar nicht. Augen zu und durch.

Neubau vor Erhalt – positive Selbstdarstellung vor Klimanotstand, ein Weiter-so vor der Anerkenntnis der sich dramatisch verändernden Rahmenbedingungen.

Schaut man auf ganz Wedel und seine Projektierungen, so findet man Flickwerk von Einzelmaßnahmen vor und kein Gesamtkonzept für eine übergreifende und nachhaltige Stadtentwicklung.

Mir tun alle leid, die heute noch so jung sind, dass sie später die Scherben, die unsere Generation Ihnen hinterläßt, wegkehren müssen.

Angela Drewes
Angela Drewes, Planungspolitische Sprecherin der WSI

Weitere Informationen zu diesem Thema auch im Wedel-Schulauer Tageblatt vom 29. September 2021